Ich will eine dieser Vivekas beispielhaft gerade nochmals erläutern, auch eine, die viele von euch schon häufig gehört haben, insbesondere wenn ihr schon viele Seminare bei mir mitgemacht habt. Und letztlich im Yoga, wenn man eine Weile studiert hat, also nicht auf der Uni, sondern eine Weile praktiziert hat, eine Weile Bücher gelesen hat, eine Weile alle Aus- und Weiterbildungen und Seminare besucht hat, dann gibt es vielleicht nicht unbedingt Neues, aber man muss es immer wieder sich vergegenwärtigen und dann wird es doch immer wieder neu. Und oft wird man feststellen, wenn man nach einer Weile dort wieder die gleiche spirituelle Fragestellung stellt, sagt sie einem wieder mehr. Und ich will insbesondere auf die Atma-Anatma-Viveka eingehen, nämlich die Unterscheidung zwischen dem Selbst und dem Nicht-Selbst, und anhand der so genannten Subjekt-Objekt-Unterscheidung. Das dürfte jetzt einigen von euch schon einiges sagen. Selbst ist das, was wahrnimmt und das Nicht-Selbst, das Objekt, ist das, was wahrgenommen wird. Klassisches Beispiel: Bin ich dieses Glas? Zunächst mal vom Offensichtlichen her. Zum Schluss wird man doch dazu kommen, dass man es doch ist, aber vom Offensichtlichen her, bin ich es nicht. Warum bin ich nicht das Glas? Ich kann das Glas sehen. Es gibt ein Ich, das nimmt das Glas wahr. Ich kann es sehen, ich kann es hören, ich kann es riechen, ich kann den Inhalt schmecken, ich kann es fühlen, mindestens den Inhalt. Bin ich das Glas und das Wasser? Nein, ich bin weder das Glas noch das Wasser. So banal das ist. Ich beginne mal mit einem anderen, mein Lieblingsbeispiel dabei. Bin ich diese Uhr? Antwort: Nein, ich bin nicht die Uhr. Warum bin ich nicht die Uhr? Ich kann die Uhr sehen, ich kann sie hören, ich kann sie hoffentlich nicht zu stark riechen, ich kann sie ablecken und vielleicht etwas schmecken, ich kann sie fühlen. Bin ich die Uhr? Nein. Jetzt kann man aber anhand der Uhr sehen, es gibt die Identifikation und aus der Identifikation kommt dann Dukha, nämlich Leiden. Das ist nämlich nicht irgendeine Uhr, sondern das ist meine Uhr. Es ist nicht Lila Kantas Uhr, es ist nicht Amritas Uhr, sondern es ist meine Uhr. Warum ist es meine Uhr? In dem Fall, ich habe sie mir sogar gekauft. Angenommen, ich hätte sie geschenkt bekommen. Wäre es meine Uhr? Es wäre meine Uhr auch. Angenommen, ich hätte sie irgendwo… Hier im Ashram gibt es ja Leute, die vergessen Sachen. Diese Sachen werden irgendwo gesammelt. Wenn sie eine längere Zeit gesammelt wurden, werden die dann den Sevakas, also den Ashrambewohnern zur Verfügung gestellt. Angenommen, ich hätte das jetzt gefunden in dieser Box. Wäre es meine Uhr? Ich spreche jetzt nicht vom BGB her, vom Bürgerlichen Gesetzbuch her, sondern vom subjektiven Empfinden her würde man auch sagen, meine Uhr. Und dann ist es meine Uhr und wenn es meine Uhr ist, dann werde ich sofort etwas in diese Uhr hineininterpretieren. Erstens, Dauerhaftigkeit und zweitens, es sollte mir Freude bereiten. Jetzt gibt es ein Problem, das subjektive Ich bleibt relativ konstant. Also z.B. „Ich“ gab es schon bevor es diese Uhr gab. Aber jetzt gibt es ein Problem. Was passiert mit der Uhr im Laufe der Zeit? Sie geht kaputt oder verschwindet plötzlich. Da fährt man friedliebend Auto und es fällt die Uhr runter, wenn man die Türe aufmacht, und merkt das erst bei der nächsten Raststätte. Oder man tritt drauf oder man legt sie in der Yogastunde hin und ein Teilnehmer tritt drauf. Oder in dem Fall, das Armband löst sich auf. Und das ist irgendwo eine spezielle Uhr und der Uhrenladen sagt, es gibt dieses Armband nicht nochmal, es gibt kein Armband, das er dranmachen kann. Jetzt habe ich eine Lösung gefunden und habe eine Büroklammer drum herum gewunden. Das ist sehr effektiv, hält schon seit Januar. Nachdem der Uhrenladen zwei Monate lang versucht hat, das Armband ausfindig zu machen. Gut, wenn ich jetzt mich identifiziere, „meine Uhr“ und dann geht es kaputt, was passiert mit mir? Dukha, Leiden. „Meine schöne Uhr.“ Und sie geht doch irgendwo kaputt, also die Klänge sind irgendwo kaputt. Seitdem der Uhrmacher die bei sich hatte, funktioniert der Alarm nicht mehr und der Timer nicht mehr. Der hat die anscheinend aufgemacht im Versuch, dort mehrere Armbänder dranzumachen und hat dabei die Klänge ruiniert. Jetzt könnte ich furchtbar mit dem Uhrmacher schimpfen oder ich könnte in der Stille leiden oder sagen, ich habe ja ein Handy, das hat schon alle Funktionen, die diese Uhr hat, die Klänge braucht. Also, ihr versteht, Identifikation.
Dies ist der 8. Beitrag zum Thema „Spirituelle Praxis“. Aus einer unbearbeiteten Mitschrift eines Sprituellen Retreats mit Sukadev Bretz im Yoga Vidya Ashram Bad Meinberg. Mehr Informationen: