Wer bin ich

ab42Dennoch kann man doch etwas sagen. Man kann zum einen sagen, dass es Atman gibt. Das ist erst mal eine Sache, es gibt Atman. Woher weiß ich, dass es Atman gibt? Wenn man es weiß, aber selbst wenn man es noch nicht erfahren hat im Sinne von Atman? Letztlich, es muss jemanden geben, der fragt: „Wer bin ich?“ Wenn es kein Selbst gäbe, dann gäbe es auch niemanden, der fragt: „Wer bin ich?“ Das ist so eine ähnliche Aussage wie auch Descartes, der hat gesagt: „Cogito ergo sum. Ich denke, also bin ich.“ Das wird oft missverstanden, dass Menschen denken, der Descartes hat gesagt, „ich bin die Gedanken“, keineswegs. Der Descartes hat nur gesagt: „Jetzt überlegen wir mal, wer bin ich und was ist die Welt und woher weiß ich was von der Welt.“ Und da sind dann durchaus in seinem Hauptwerk „Meditationes“ sehr vedantische Gedankengänge. „Ich weiß nichts von der Welt, denn nichts von der Welt ist sicher. Denn alles, was ich von der Welt weiß, weiß ich durch die Sinne und die Sinne können mich trügen.“ Und das weiß man ja auch, Sinne trügen.  Und ich weiß auch nicht, ob das, was ich sehe, nicht ein Traum ist, denn wenn es ein Traum ist, woher wüsste ich, dass es ein Traum ist? Ich kann also daran zweifeln, ob es so was gibt wie eine Welt. Wenn die ganze Welt ein Traum ist, dann ist auch der Körper hier ein Traum, denn jede Nacht Träume ich und dort kann ich ganz unterschiedliche Körper träumen. Also, der Körper hier kann genauso ein Traum sein wie alles andere auch. Man kann auch in der Nacht träumen, dass man einen anderen Charakter hat, das geht durchaus. Ich weiß nicht, ob ihr euch an einen Traum erinnert, wo euer Charakter mindestens etwas anders war als im Wachzustand. Manche Menschen, die im Wachzustand eher schüchtern sind, träumen im Traumzustand, dass sie dynamisch sind und extravertiert und keine Probleme haben und sind Könige und Kaiser, und im normalen Leben eher so. Also, man kann im Traum Persönlichkeit erheblich abändern. Also, auch die Persönlichkeit… Aber eines weiß ich, es muss jemanden geben, der fragt: „Was ist wirklich? Was ist unwirklich? Wer bin ich? Wer bin ich nicht?“ Jemand muss es geben, sonst könnte man die Fragen nicht stellen. Daher: „Cogito ergo sum.“ Daher kann ich sagen: „Es gibt mich.“ Das ist doch eine große Aussage. Nicht unbedingt als individuelles Selbst, sondern es gibt mich. Da wird übrigens manchmal so ein künstlicher Unterschied zwischen Yoga und Buddhismus herausgearbeitet, denn im Buddhismus gibt es die so genannte Anatma Aussage. Im Buddhismus wird behauptet, es gibt kein Selbst. Das ist aber nur ein scheinbarer Widerspruch, denn im Buddhismus wird unter Atma das individuelle Selbst verstanden. Im Vedanta wird als Atma das kosmische Selbst verstanden.

Dies ist der 22. Beitrag zum Thema „Spirituelle Praxis“. Aus einer unbearbeiteten Mitschrift eines Sprituellen Retreats mit Sukadev Bretz im  Yoga Vidya Ashram Bad Meinberg. Mehr Informationen:

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