Svadhyaya hat auch wieder verschiedene Bedeutungen und wenn Svadhyaya im Rahman der Niyamas steht, ist eigentlich mehr damit gemeint, selbst die Schriften zu lesen. Im alten Indien war das gar nicht so üblich, übrigens auch wie in Europa, vor Martin Luther war es nicht üblich, dass Menschen die Bibel gelesen haben. Und für Katholiken war es bis zum 19. Jahrhundert verboten, die Bibel selbst zu lesen. Das durfte nur ein Priester und im 19. Jahrhundert wurde das irgendwann mal per Dekret des Papstes aufgehoben und seitdem dürfen auch Katholiken die Bibel lesen. Aber das hat ein paar hundert Jahre gebraucht, um Luther dort zu folgen. Und auch im alten Indien, eigentlich bis zum 19. Jahrhundert, war es nicht möglich, dass ein Nicht-Brahmane die Veden lesen durfte. Aber Patanjali, ein paar hundert Jahre vor Christus, hat schon gesagt, Schriftenstudium und die Hauptschrift sind die Veden. Also hat Patanjali hier schon gegen den Mainstream gesagt, zur höchsten Verwirklichung muss man selbst die Schriften lesen, Svadhyaya, alle Schriften. Wer ernsthaft auf dem Weg ist, Svadhyaya, möge die Schriften lesen. Und in den Kommentaren wurde es dann zum Teil noch etwas klarer, dass das so gemeint ist. Also gegen den Mainstream, wo nur die Brahmanen die Schriften lesen durften, und das, was sie gedacht haben, was für das allgemeine Volk irgendwo verdaubar ist, das wird weitergegeben, ähnlich wie im christlichen Mittelalter, nur dass Patanjali halt 2000 Jahre vor Martin Luther schon gesagt hat: „Nein, ließ die Schriften selbst. Und das ist etwas, was dich verbindet direkt mit Gott.“ Auch wieder ähnliches Konzept wie Martin Luther, der auch gesagt hat: „Durch das Lesen der Schriften kommt die Gnade Gottes.“ Und ähnlich wie Patanjali, als ob er das Yoga Sutra dort gelesen hat, was er sicherlich nicht getan hat. Patanjali sagt dort auch, wo er über die Niyamas spricht: „Durch das Studium der Schriften kommt die Vision oder die Verbindung mit dementsprechenden Aspekt Gottes. Gut, hier aber in dem Kontext, Svadhyaya, Selbststudium, kann man sagen, ist eigene Analyse und selbst analysieren und verstehen, also im Rahmen von Kriya Yoga. Und in diesem Sinne, man kann zuerst überlegen, Svadhyaya: „Was ist?“ Als zweites kann man schauen, etwas zu verändern. Also nehmen wir das Beispiel, man hat sich vorgenommen, etwas zu machen, und der Geist fängt plötzlich an, Gedanken und Emotionen zu erzeugen. Da kann man erst Svadhyaya üben und überlegen: „Ja, was geht da überhaupt vor?“
Dies ist der 57. Beitrag zum Thema „Spirituelle Praxis“. Aus einer unbearbeiteten Mitschrift eines Sprituellen Retreats mit Sukadev Bretz im Yoga Vidya Ashram Bad Meinberg. Mehr Informationen:
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