Wir können sagen: „Meine Gefühle werden oft von anderen bestimmt.“ Jemand anderes hat ein Gefühl und unser Gefühl wird davon bestimmt, das kann sogar durch Wände hindurchgehen, wir können ein Gefühl aufgreifen von irgendjemand. Zum einen können natürlich die eigenen Gefühle erzeugt werden durch das, was irgendjemand anderes sagt. Und zum anderen, unsere scheinbar individuellen Gefühle sind einfach kosmische Gefühle, die sich in einem konkreten Körper-Geist-Kontext manifestieren. Also, ihr könnt mal überlegen, wenn ihr irgendein Gefühl habt: „Ist das mein persönliches Gefühl oder ist das jetzt das allgemein menschliche Gefühl des Ärgers, was sich jetzt in mir manifestiert. Ist das mein persönliches Gefühl der Verlassenheit oder ist das ein allgemein menschliches Gefühl der Verlassenheit, das sich jetzt durch diesen Körper-Geist-Komplex manifestiert? Ist das mein persönliches Gefühl des Enthusiasmus oder ist es die allgemein menschliche Erfahrung des Enthusiasmus, die sich gerade wunderbarerweise in diesem Körper-Geist-Komplex manifestiert?“ Das ist eine Möglichkeit, das zu sehen. Oder: „Ist das jetzt mein persönliches Gefühl der Niedergeschlagenheit oder der Enttäuschung oder der Freude oder ist das jetzt ein allgemein menschliches Gefühl von sowieso, das sich jetzt durch diesen Körper-Geist-Komplex manifestiert?“ Wenn man darüber so ein bisschen nachdenkt, wird man feststellen: „Habe ich wirklich ganz persönliche Gefühle? Nein.“ So ähnlich: „Ich habe kein persönliches Auto, kein persönliches wie auch immer, sondern einfach Beziehungen, die jetzt da sind. Ich mache diese Erfahrung.“ Das kann einem helfen, aus der Identifikation herauszukommen. Er wird deshalb nicht unbedingt die Emotion loswerden und reine Vedantins würden sagen, es ist auch nicht nötig, die Emotion loszuwerden, die mag ja da sein. „Aber ich selbst weiß, mindestens zwischendurch in der Meditation, mindestens wenn ich analysiere, ich bin nicht wirklich das Gefühl, ich bleibe Satchidananda, inmitten von himmelhoch jauchzend und inmitten von zu Tode betrübt.“ Wenn man das weiß, gelingt es einem meistens, ein bisschen gleichgewichtiger zu sein, aber nicht notwendigerweise, es ist auch eine Temperamentfrage. Jetzt kommt dann die schwierigere Geschichte und das ist für westliche Aspiranten fast am allerschwierigsten: „Bin ich die Persönlichkeit?“ Swami Vishnu hätte noch vorher alles Mögliche andere noch eingeführt: „Bin ich die Nation? Bin ich deutsch?“ Den meisten spirituellen Aspiranten fällt es relativ leicht, sich nicht mit dem Deutschtum zu identifizieren. Das scheint leichter für die deutschen Aspiranten zu sein als für amerikanische oder indische Aspiranten, sich nicht damit zu identifizieren. Vielleicht ist es schwerer, sich vom Bayerntum zu lösen als vom Deutschtum. Sind wir deutsch? Oder ist es doch schwerer als ich es gedacht habe? Du kommst aus Bayern? Dein Körper kommt aus Bayern und natürlich, das Bayerisch-Sein hat einen bestimmten Einfluss vielleicht auf die Sprache, auf die Persönlichkeit, auf Mögen und Nicht-Mögen, genauso wie das Rhein-Hessen-Tum einen gewissen Einfluss hat – ich komme aus Rhein-Hessen – auf Sprache und auf manches Mögen und Nicht-Mögen, wie das Schwaben oder Bad Emser oder was auch immer die Identifikation sein mag, oder Fränkische oder was auch immer, aber wir sind nicht Nation usw. Gut, genauso, bin ich Mann, bin ich Frau? Swami Vishnu hat gerne gesagt, das ist für Aspiranten schon schwieriger. Und manchmal hat er sich so eine leichte Freude gemacht, und mal so irgendeinen Stereotyp über Frauen oder Männer zu sagen, um dann die wütenden Gesichtsausdrücke unter den Schülern zu sehen. Dann hat er gesagt: „Seht ihr, ihr habt keine Probleme, wenn ich Witze über Amerikaner mache.“ Obgleich achtzig Prozent der Anwesenden Amerikana waren. „Da kann ich ruhig Witze machen über Amerikaner, da lacht ihr auch darüber. Aber wehe, ich mache einen Witz über Frau, dann gibt es wütende Blicke. Und natürlich weiß ich, dass diese Stereotypen über Frauen nicht stimmen und genauso weiß ich aber auch, die Stereotypen über die Amerikaner stimmen genauso wenig. Aber ihr reagiert mehr bei Stereotypen über Frauen als bei Stereotypen über Amerikaner, Deutsche, Bayern oder was auch immer.“ Da kann man auch sehen, unter heutigen Aspiranten, Identifikation mit Mann, Frau, gar nicht mal so wenig. Gut, dann geht es aber noch weiter, Identifikation mit Persönlichkeit. Die Menschen im Westen identifizieren sich besonders mit ihrer Persönlichkeit. „So bin ich halt.“ Kennt ihr das?
Dies ist der 16. Beitrag zum Thema „Spirituelle Praxis“. Aus einer unbearbeiteten Mitschrift eines Sprituellen Retreats mit Sukadev Bretz im Yoga Vidya Ashram Bad Meinberg. Mehr Informationen:
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