Man kann auch eine weitere Tagesablaufvariation machen. Es gibt ja Menschen, die haben das so genannte zyklothyme Temperament. Das heißt, die haben Hochenthusiasmusphasen und sie haben die mehr gedämpften Enthusiasmusphasen. Und in den Hochenthusiasmusphasen denken sie immer: „Ah, gleich kommt die Selbstverwirklichung. Nur noch etwas mehr. Jetzt habe ich es endlich geschafft.“ Es gibt Menschen, die sind schon so lange auf dem Weg, die haben schon zum fünfzehnten Mal diese Hochenergiephase und wiederum: „Jetzt, kurz davor. Eine Stunde Pranayama, eine Dreiviertelstunde Meditation, eine Stunde Asanas jeden Tag, Schlaf reduziert. Meditation wird tiefer. Gott ist spürbar.“ Ja, Gott ist dann ja auch erfahrbar. Man fühlt diese Liebe und diese Freude und diese Verbundenheit und vielleicht die Kundalini macht sich bemerkbar, die Wirbelsäule wird heißt, man spürt eine Liebe zu den Menschen usw. Das kann mehr oder weniger so sein. Und dann folgt als nächstes die: „Es hat alles keinen Sinn. Ich tauge nichts. Die Welt ist schlecht zu mir. Das kriege ich nicht hin. Wäre ich doch nicht geboren worden. Warum lebe ich überhaupt? Ich tauge nichts.“ Wir wollen das jetzt nicht weiter ausbauen. Gut, und jetzt kann man dort sagen: „Wenn ich in dieser Hochenergiephase bin, dann habe ich einen bestimmten Tagesablauf und dann kann ich auch ein bisschen flexibler sein, denn der Enthusiasmus wird mich schon irgendwo in die richtige Richtung leiten. Und wenn ich in einer Niedrigenergiephase bin, dann praktiziere ich mindestens etwas.“ Dann kann man überlegen: „Wenn ich in einer Niedrigenergiephase bin, wie viel Meditation würde ich noch gerne machen? Welche Pranayamas würde ich irgendwo auf die Reihe kriegen, dass es nicht zu viel Überwindung ist? Wie müsste ich die Asanas machen, dass sie mir Spaß machen?“ Eventuell braucht man auch zwei Möglichkeiten. Oft in dieser Niedrigenergiephase wäre es ja eigentlich gut, viele Sonnengebete zu machen, um die Energie wieder zu aktivieren. Aber das nutzt dann manchmal nichts, denn es wäre vielleicht gut, aber sich dazu zu überwinden, ist nicht so einfach. Ich muss öfters lachen, wenn ich Bücher lese, was ein Kapha-Mensch üben sollte, vor allem mit einem Übermaß an Kapha. Da wird gesagt, viele Sonnengebete, anstrengende Asanas. Also, ich habe noch nie jemanden gesehen, der einen Übermaß an Kapha hat und jetzt zwanzig bis vierzig Sonnengebete übt, in der Phase, wo er gerade ein Übermaß an Kapha, Faulheit und Trägheit hat. Also, ich rate jemandem im Übermaß an Kapha, er soll als erstes eine schöne Kerze anzünden, zweitens eine schöne Duftlampe, drittens eine weiche Matte hinlegen und viertens vielleicht den unterstützten Schulterstand, zwei Kissen unter das Kreuzbein, Beine hoch, und sich es gutgehen lassen. Und danach kann man gucken, wie es weitergeht. Wenn man schon so weit ist und schon sich die Mühe gemacht hat, die Kerze anzuzünden, die Matte auszubreiten, eine Duftlampe anzuzünden, schon das Kapha-Temperament wird sagen: „Dafür muss sich der ganze Aufwand dann auch rentiert haben.“ Aber wenn man dem Menschen sagt, er soll jetzt mit zwanzig oder hundertacht Sonnengebeten beginnen, selbst wenn das das Beste wäre, um seine Kapha-Störung zu beheben, macht er es trotzdem nicht. Gut, in diesem Sinne, adapt, adjust, accommodate ist gut, aber eine gewisse Regelmäßigkeit. Also, wenn es geht, macht die Regelmäßigkeit. Für jemanden mit Pitta-Temperament dürfte das nicht allzu schwierig sein. Letztlich auch bei einem reinen Kapha-Temperament, ist es auch nicht schwierig, der macht die gleichen Sachen. Es sind die, die ein bisschen divergieren, sei es, von den inneren Bioenergien her oder durch äußere unregelmäßige Tagesabläufe und Jahreszeiten abhängige Tagesabläufe, die ein bisschen aufpassen müssen oder sich anpassen müssen an innere und äußere Veränderungen.
Dies ist der 70. Beitrag zum Thema „Spirituelle Praxis“. Aus einer unbearbeiteten Mitschrift eines Sprituellen Retreats mit Sukadev Bretz im Yoga Vidya Ashram Bad Meinberg. Mehr Informationen:
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