Ich habe heute Morgen mit jemandem gesprochen, der praktiziert Zen, und der sagt, im Zen ist ausdrücklich nicht das Ziel, glücklich zu sein. Es geht nicht darum, glücklich zu sein. Es geht darum, zu erwachen. Und dann, wenn wir erwacht sind, dann sind wir glücklich. Im Yoga haben wir so ein leichtes Problem. Im Yoga wollen wir uns wohlfühlen, der Körper irgendwie gesund und ein bisschen mehr Prana. Wir fördern all das, was und irgendwie gut fühlen lässt, Sattva, Stichwort Sattva. Alles was wir machen, Sattva, reiner machen und wir ernähren uns gesund, und gesunde Ernährung führt zu Wohlbefinden. Wir machen Körperübungen, die sich gut anfühlen. Und wie fühlt man sich nach einer Yogastunde typischerweise? Gut. Wir machen alles Mögliche, um mehr Prana zu haben. Wir fühlen uns gut. Wir lernen, mit uns selbst geschickt umzugehen. Wir fühlen uns gut. Konsequenz ist, wir identifizieren uns. Aber das Gutfühlen hat irgendwo seine Grenzen. Man kann sagen, im Mittelalter war unter manchen christlichen Aspiranten etwas üblich, das nannte sich Kasteiung. Sie haben bewusst dem Körper Qualen zugefügt. Der Grund war Nicht-Identifikation. Ich will euch jetzt nicht raten, das nachzumachen, das entspricht nicht dem klassischen Yoga. Und die großen Mystiker wie Hildegard von Bingen und Meister Eckhart und Theresa von Avila haben dagegen gesprochen. Und Krishna sagt in der Bhagavad Gita, den Körper zu quälen ist tamasig eine Form von Tapas. Aber es hat auch etwas für sich, im Sinne von, man erwartet nicht, dass man in diesem Leben so Glücksgefühle hat, man lernt, sich nicht mit dem Körper zu identifizieren und dann springt man vielleicht in die Gottesverwirklichung. Gut, im ganzheitlichen Yoga gehen wir anders vor und sagen, wir versuchen, mehr Prana zu haben. Sehr viel Prana zu haben, kann einem ja die Erfahrung erleichtern, zum Höchsten zu kommen. Nur, wir dürfen uns nicht identifizieren mit dem Pranalevel. Ab und zu mal, wenn es einem nicht gelingt, so viel zu praktizieren, vielleicht weil man einen Unfall hatte, weil der Partner oder das Kind außergewöhnliche Aufmerksamkeit gebraucht hat, dann merkt man, es ist weniger Prana da – weniger Prana heißt oft, weniger spirituelle Motivation, weniger Prana heißt weniger Gottbewusstsein im Alltag – wir können trotzdem Viveka üben und können feststellen: „Bin ich das Prana? Nein. Bin ich dieses schlechtere Gefühl, das ich jetzt habe? Nein. Ich bin weiter Sat, Chid und Ananda.“ Nächste Ebene, Manomaya-Ebene: „Bin ich die Gefühle?“ Ihr schüttelt alle den Kopf. „Neti, Neti, nicht dies, nicht dies. Nein.“ Warum bin ich nicht die Gefühle?
Dies ist der 15. Beitrag zum Thema „Spirituelle Praxis“. Aus einer unbearbeiteten Mitschrift eines Sprituellen Retreats mit Sukadev Bretz im Yoga Vidya Ashram Bad Meinberg. Mehr Informationen:
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